Branchenzuschläge und die Kalkulation – ein gefährliches Spiel?
Da ist er nun, der 1. November – die ersten Branchenzuschlagstarife treten in Kraft. Das heißt einerseits: Mehr Geld für die Beschäftigten. Das ist schön und sehr wohl erfreulich. Andererseits opfern viele Personaldienstleister die Chance auf höhere Verrechnungssätze einem gefährlichen Preiskampf. Und das zum Teil sogar freiwillig.
Betriebsame Hektik allenthalben, verbunden mit viel Hoffnung und gleichermaßen gemischten Gefühlen – das ist der Eindruck, den man bei einem Blick auf den aktuellen Zustand der Zeitarbeitsbranche bekommt. Viel Hoffnung deshalb, weil das Thema Branchenzuschläge im Großen und Ganzen mittlerweile als Möglichkeit wahrgenommen wird, die Branche weiterzuentwickeln und mitunter neu zu definieren. Gemischte Gefühle, da bei der Einführung der Branchenzuschläge an vielen Stellen die Angst mitspielt, Kunden durch neue, höhere Verrechnungssätze zu verprellen. Die Folge: Bei der Kalkulation der Verrechnungssätze werden die Erhöhungen durch die Branchenzuschläge mit einem teilweise drastischen Abschlag kalkuliert.
„Faktor 1,42 auf den Zuschlagsanteil“. Das war bislang die unterste Forderung, das uns von Kundenseite zugetragen wurde. Eins komma vier zwo, inklusive Arbeitgeberanteile, Urlaub, Krankheit, administrativem Aufwand und so weiter und so fort. Ein Faktor, bei dem der Personaldienstleister noch Geld mitbringen muss, sprich: einen deutlichen Teil seiner Marge einbüßt, um im Geschäft zu bleiben – um seine Mitarbeiter weiterhin in Lohn und Brot zu halten.
Und dennoch: Der Trend auf Seiten der Personaldienstleister, den Part der Branchenzuschläge mit einem geringeren Faktor zu versehen, greift in erstaunlichem Maße um sich. Irgendwo zwischen 1,5 und 1,7 bewegt sich das Pendel in vielen Fällen. Die Frage ist nur: Was ist der Grund für den Abschlag bei den Zuschlägen? – und welche Folgen kann ein verringerter Faktor für die Zukunft haben?
Es wäre ein Gutes (wenngleich nicht immer Einfaches), könnte die Branche ihre Verrechnungssätze wieder nach oben korrigieren. Viel zu lange schon bewegen sich die Sätze eher seitwärts als nach oben – seit Jahren steigen alle anderen Kosten um uns herum, nur die der Personaldienstleister dürfen auf gar keinen Fall höher werden. Was hat ein Mittelklassewagen vor zehn, zwölf Jahren gekostet – und was kostet er heute? Wo lagen die Verrechnungssätze für einen Helfer vor zehn, zwölf Jahren – und wo liegen sie heute? Eine Anpassung scheint überfällig zu sein.
Ein einfaches Rechenbeispiel macht zudem deutlich, welche Folgen der reduzierte Faktor bei zukünftigen Verhandlungsrunden bringen kann. Ein Mitarbeiter in der EG1 erhält einen Tariflohn von 8,19 Euro, in der M+E-Zuschlagstufe 50% nach neun Monaten dann 12,29 Euro. Gehen wir davon aus, dass der Faktor auf den Tariflohn 2,0 und der auf den Zuschlagsanteil 1,6 ist, so bleiben pro Stunde 10,65 Euro für den PDL – oder ein durchschnittlicher Faktor von 1,87. So weit, so gut.
Doch wie bieten Sie Ihrem Kunden (möglicherweise zeitgleich) einen Mitarbeiter, sagen wir EG5 an, Tariflohn 12,21 Euro. Wo wird Ihr Faktor liegen? Bei 2,0? Bei 1,87? Als cleverer Einkäufer würde ich sagen: „Natürlich bei 1,87 – oder um es einfach zu machen: bei 1,8. Da haben wir doch eine gute Basis für unsere zukünftige Zusammenarbeit gefunden.“ Mit etwas Glück schaffen Sie den Sprung auf 1,9. Aber dann ist auch schon Ende Gelände.
Dass dieses Spiel von dem ein oder anderen Personaldienstleister freiwillig vorangetrieben wird, erstaunt mich. Unlängst war ich bei einer Kundenveranstaltung eines mittelgroßen Personaldienstleisters eingeladen. Der Chef des Hauses erklärte die Branchenzuschläge, um seinen Vortrag mit den Worten zu schließen: „Natürlich werden wir Ihnen bei den Zuschlägen kräftig entgegenkommen, was unsere Verrechnungssätze betrifft.“
Die Blicke seiner Vertriebsmitarbeiter wurden deutlich finster, als Sie die Worte ihres Chefs vernahmen. Zu Recht, wie ich meine. Denn als Kunde würde ich mir die Frage stellen:
„Dann habe ich in der Vergangenheit wohl zu viel bezahlt?!“
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